WHATEVER.WORKS Founder und Managing Director Uwe Michaelis erläuterte im Interview mit dem Personalmagazin kürzlich, warum Auszeiten ein wichtiger Benefit für Mitarbeitende sind, weshalb die rechtliche Prüfung bei Workations unerlässlich ist und weshalb kurze Auszeiten besser sind. Lies hier das Interview in voller Länge.
Uwe Michaelis: Wir verstehen darunter eine Unterbrechung des beruflichen und privaten Alltags. Dem Wunsch nach einer solchen Auszeit liegen verschiedene Motive zugrunde. Oft denken Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an das klassische Sabbatical: Ganz raus aus dem Alltag, Hobbys nachgehen, an einem anderen Ort sein. Als neues Auszeiten-Motiv sind Workations verstärkt nachgefragt: An einem Ort arbeiten, den man eher als Urlaubsort kennt und der einen hohen Freizeitwert hat. Auch Themen wie Weiterbildung, der Einsatz bei einer NGO oder in einem Volunteering-Projekt werden mit Auszeiten verbunden. Die Dauer kann variieren: Es muss sich nicht immer um ein Sabbatical von zwölf Monaten handeln, sondern kann auch eine Kurz-Auszeit sein.
Bei einer Workation – dem Auszeiten-Format, mit dem wir 2022 gestartet sind – geht es explizit um zeitliche Befristung auf wenige Wochen. Es geht nicht darum, den Lebensmittelpunkt in ein anderes Land zu verschieben und dort dauerhaft zu arbeiten, sondern darum, zwei oder drei Wochen in Frankreich, Schweden oder der Schweiz zu arbeiten. Als nächstes werden wir auch Micro Sabbaticals anbieten. Diese sind ähnlich wie das bekannte einjährige Sabbatical Auszeiten, bei denen man sich ganz aus dem beruflichen Alltag herauszieht. Mit Micro-Sabbatical wollen wir bewusst nicht in einer Dimension von zwölf Monaten denken, sondern einer Zeitdauer von wenigen bis zwölf Wochen.
Das ist tatsächlich so. Wir haben eine umfangreiche Umfrage zu den verschiedenen Auszeiten-Formaten durchgeführt und festgestellt: Je kürzer die Auszeit ist, desto einfacher wird alles, auch die Finanzierungsfrage. Wenn man zwölf Monate Auszeit nimmt, stellt sich auch die Frage, was mit persönlichen Dingen und der Wohnung geschieht. Aber nicht nur die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind davon betroffen, sondern auch Arbeitgeber, HR und das Team.
Um Workations rechtskonform durchführen zu können, muss man verschiedene Rechtsgebiete miteinander verbinden. Es geht um Arbeitsrecht, Steuerrecht, Sozialversicherungsrecht. Da Workations im Ausland stattfinden, kommen Themen wie Aufenthaltsrecht, Versicherungen und Visaregelungen hinzu. Das sind sehr viele Themen, die die Komplexität treiben. Deshalb haben wir seit 2022 eine Partnerschaft mit der KPMG, die ein interdisziplinäres Rechtsteam zur Verfügung stellt, mit dem wir uns während der Produktentwicklung durch diese verschiedenen Fragestellungen durchgearbeitet haben. Es ist ein neues Thema und kein Thema, das bis ins letzte Detail in allen Ländern rechtlich geklärt ist. In der EU und EWR gibt es den großen Vorteil, dass einige Länder ziemlich einheitlich agieren. Aber selbst da gibt es länderspezifische Abweichungen.
Istanbul ist ein gutes Beispiel, weil das außerhalb der EU und EWR liegt. Innerhalb der EU und EWR haben Staatsbürger aus diesen Ländern den Vorteil, dass das Thema Visa und Aufenthaltsrecht sehr einfach ist. Das heißt: Sie brauchen kein Visum, wenn sie an den Urlaub in Frankreich noch drei Wochen Workation anschließen. Wenn sie diesen Raum verlassen und zum Beispiel in der Türkei eine Workation planen, kommen die Themen Visum und Aufenthaltsrecht hinzu. Und es kommt hinzu, dass jedes Land einzeln geprüft werden muss: Gibt es ein Doppelbesteuerungsabkommen? Was darin ist so geklärt, dass man es für mobiles Arbeiten anwenden kann? Welche Dinge sind nicht geklärt? Das ist immer für beide Seiten relevant: Es gibt nicht nur mögliche Risiken für Arbeitgeber, sondern auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Das kann man nicht pauschal sagen. Es gibt eine Vielzahl an Ländern, in denen man damit besser warten sollte, weil es keinerlei Form von Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und den Ländern gibt, also auch keinen rechtlichen Rahmen für befristetes Arbeiten vor Ort. Und es gibt eine Ländergruppe, in der deutlich mehr geregelt ist. Der Ansatz ist, sich diese Länder nach und nach anzuschauen. Wir prüfen kontinuierlich weitere Länder, in welcher Form das befristete
Arbeiten dort möglich ist.
Die Dauer kann außerhalb von EU und EWR sehr individuell sein. Auch da muss man sich durch die verschiedenen Rechtsperspektiven durcharbeiten und auf deren Basis Empfehlungen aussprechen. Selbst in der EU und EWR fehlt eine einheitliche Verankerung. Es gibt kein Land, das sagt: 100 Tage sind einfach mal möglich. Sondern es gibt Best Practices, die sich bewährt haben. Aktuell bieten wir über unsere Plattform 40 Tage pro Kalenderjahr im europäischen Ausland an.
In unserer Arbeitnehmerumfrage gab jeder zweite Arbeitnehmer, jede zweite Arbeitnehmerin konkretes Interesse an einer Auszeit an – unabhängig vom Auszeitenformat. In unseren Kundengesprächen nehmen wir wahr, dass faktisch jede HR-Abteilung das Thema kennt – und unterschiedlich bewertet. Es gibt Unternehmen, die sagen: Das Thema gibt es und unsere Beschäftigten fragen danach. Wir sind aber noch nicht bereit oder wir haben uns entschieden, das zunächst nicht anzubieten. In der zweiten Gruppe finden sich Unternehmen, die Auszeiten anbieten wollen, aber stark in der rechtlichen Unsicherheit festhängen. In der dritten Gruppe sind die Pioniere, die selber Rahmenbedingungen und eine Policy für International Remote Work entwickelt haben. Im täglichen Doing merken sie aber, dass sehr viele Themen hinzukommen. Eine Policy aufgesetzt zu haben, ist der erste Schritt, die tatsächliche Abwicklung mit individuellen
Fragestellungen ist eine weitere Herausforderung.
Wir denken über ein drittes Auszeitenformat nach, das mit Volunteering zu tun hat, wir nennen es Workeering. Beide Seiten – Arbeitgeber und Beschäftigte – haben das als sehr attraktiv bewertet. Eine mögliche Umsetzung wollen wir prüfen: Wie kann jemand für einige Wochen bei einer NGO arbeiten, in einem anderen Kontext, wo er berufliche Kompetenzen einbringt, die sonst im Job ausgeübt werden? Auch da gibt es viele rechtliche Fragestellungen. Diese wollen wir mit unseren Rechtsexperten klären und als Lösung auf unserer Plattform etablieren.
Interview: Daniela Furkel (Chefreporterin des Personalmagazins)
Dieses Interview erschien zuerst in der Ausgabe 11/2023 des Personalmagazins - das marktführende und unabhängige Branchemedium zur Gestaltung der Arbeitswelt.